Nachdem es noch am Freitag danach ausgesehen hatte, dass die Ölmärkte die größten Turbulenzen erst einmal hinter sich haben könnten, stellt sich die aktuelle Lage zu Wochenbeginn völlig anders dar. Durch den überraschenden Überfall der radikal-islamischen Terrororganisation Hamas, macht sich an den Ölmärkten wieder Nervosität breit. Nach Einschätzung von Experten wird vor allem die Dauer des Krieges und eine mögliche territoriale Ausweitung darüber entscheiden, wie stark die Ölpreise wieder nach oben steigen.
Neben diesen hoffentlich nur kurzfristigen Auswirkungen auf die Ölpreise, gibt es mittel- und langfristige Einschätzungen für den Ölmarkt, die Verbraucherinnen und Verbrauchern Hoffnung machen sollten. Denn Fakt ist, dass die Ölmärkte vor dem Angriff auf Israel die stärksten Wochenverluste seit März dieses Jahres verbuchten. Auf Wochensicht verzeichnete die Atlantiksorte Brent einen Rückgang von etwa 11 Prozent und nordamerikanisches WTI-Öl ein Minus von mehr als 8 Prozent.
Ölpreise könnten auf bis zu 50 Dollar pro Barrel sinken
Den beträchtlichen Kursrutsch innerhalb von nur wenigen Tagen halten nicht wenige Rohstoffexperten für überzogen. Wenn es aber nach den Analysten von Rystad Energy, einem renommierten norwegischen Energie-Beratungsunternehmen, geht, werden die Ölpreise in Zukunft sogar noch wesentlich weiter zurückgehen. Den Experten zufolge wird das Wachstum der Ölnachfrage bald seinen Höhepunkt erreichen und die Preise nach unten drücken. Sie sagen einen Rückgang der Rohölsorte Brent auf etwa 60 Dollar pro Barrel (a 159 Liter) im Jahr 2027 voraus.
Angesichts der jüngsten Prognosen von Wall-Street-Analysten, die für die nächsten zwei Jahre einen Preis von bis zu 150 Dollar pro Barrel prognostizieren, sind diese Aussichten eine beruhigende Botschaft. Die langfristige Prognose von Rystad geht davon aus, dass die Preise im nächsten Jahr einen Höchststand von 91 Dollar pro Barrel erreichen werden, bevor sie auf bis zu 50 Dollar sinken um sich danach im Bereich von 60 Dollar einzupendeln..
Reichliches Angebot…
„Die Nachfrage erreicht ihren Höhepunkt“, sagte Claudio Galimberti, Leiter des Bereichs North America Research bei Rystad gegenüber Reuters. „Wir gehen davon aus, dass die Preise in den nächsten drei bis vier Jahren zurückgehen werden, vor allem aufgrund des reichlichen Angebots.“ Das reichliche Angebot, so Galimberti, wird aus den Vereinigten Staaten kommen, auch wenn die Schieferölindustrie keine unmittelbaren Pläne für ein signifikantes Produktionswachstum hat.
…trifft auf sinkende Nachfrage
Galimberti zufolge wird sich das Wachstum der Ölnachfrage in diesem Jahr auf 2,4 Millionen Barrel pro Tag gegenüber 3,7 Millionen Barrel pro Tag im letzten Jahr verlangsamen und 2025 auf 1,2 Millionen Barrel pro Tag und 2026 auf nur noch eine halbe Million Barrel pro Tag zurückgehen.
US-Schieferöl wird Preise drücken
Bis 2027, so der Rystad-Analyst, wird die Schieferölproduktion in den USA auf 15 Millionen Barrel pro Tag ansteigen und damit für ein ausreichendes Angebot sorgen, das die Preise in Schach halten dürfte. Seiner Meinung nach könnte die Schieferölförderung in den USA jedoch noch weiter zulegen. Und zwar auf bis zu 18 Millionen Barrel pro Tag, wenn die Ölpreise dank der Politik der OPEC länger auf einem hohen Niveau bleiben würden.
Verbesserte Bohreffizienz kompensiert Schwund an Bohranlagen
Rystad erwartet kurzfristig ein moderates Wachstum in der US-Schieferindustrie mit 60 bis 70 neuen Bohranlagen bis zum nächsten Jahr, was die Gesamtzahl auf 634 Anlagen erhöhen würde. Das wären gegenüber dem Höchststand zwar 70 Anlagen weniger. Das Wachstum der Schieferindustrie in den USA wird Experten zufolge jedoch weniger auf der schieren Zahl der Analgen als vielmehr auf Verbesserungen der Bohreffizienz basieren.
Dem Ernst der Lage in Israel entsprechend, ziehen die Ölpreise am Montag im frühen Handel deutlich an. Die Preise für Gasöl, dem Vorprodukt für Diesel und Heizöl, notieren aktuell wieder über der Marke von 900 US-Dollar je Tonne, nachdem sie am Freitag zu Handelsende bei 868 Dollar lagen. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen im Schnitt etwa +3,70 bis +4,50 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch zur Wochenschluss.
Source: Futures-Services