Egal ob große Energiekonzerne, kleine Start-Ups aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien, Umweltschutzverbände oder sogar Staatsregierungen: Vor drei Tagen richteten sich alle Augen auf die Veröffentlichung der diesjährigen Ausgabe des „World Energy Outlook“. Das von der Internationalen Energie-Agentur IEA erstellte und 350 Seiten umfassende Dokument zählt weltweit zu den bedeutendsten Energiemarktanalysen.
Die Kernaussage der aktuellen Ausgabe: Das Wachstum der Öl- und Gasnachfrage wird in den nächsten sieben Jahren seinen Höhepunkt erreichen.
Bis 2030: Anteil erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung bei 50 Prozent
Die IEA geht davon aus, dass sich die Zahl der Elektrofahrzeuge auf den Straßen der Welt bis 2030 verzehnfachen wird. Wind- und Solarenergie werden demnach so stark zunehmen, dass sie bis zu diesem Jahr zusammen mit der Wasserkraft vermutlich einen Anteil von 50 Prozent an der weltweiten Stromerzeugungskapazität erreichen wird. Derzeit liegt dieser noch bei rund 30 Prozent.
Warum geben Großkonzerne Milliarden für Öl- und Gasübernahmen aus?
Angesichts dieses Szenarios beginnen nicht wenige Energieexperten die jüngsten Übernahmen im US-Energiesektor zu hinterfragen. So plant die Exxon Mobil Corporation das Schieferbohrunternehmen Pioneer Natural Resources Co. für 59,5 Milliarden Dollar zu kaufen, und die Chevron Corp. ist im Begriff, den traditionsreichen US-Produzenten Hess Corp. für 53 Milliarden Dollar zu übernehmen. Warum also geben die Großkonzerne Dutzende von Milliarden für Öl- und Gasübernahmen aus? Vielleicht, weil sie wissen, dass die Prognosen der IEA nicht unbedingt der Realität entsprechen.
Ölkonzerne reagieren auf die Realitäten der Energienachfrage
Branchengiganten treffen selten dumme und teure Entscheidungen. Vor allem, wenn diese Entscheidungen extrem kostspielig sind. Die Entscheidungen von Exxon und Chevron, durch Übernahmen weiter zu wachsen, basieren auf den Realitäten der Energienachfrage. Aus diesem Grund hat sich keiner der beiden Energieriesen auf eine Einkaufstour für Hersteller von EV-Ladegeräten oder Entwickler von Windkraftanlagen begeben.
Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman sagte im Rahmen der aktuell in Riad stattfindenden Future Investment Initiative: „Ich denke nicht, dass Exxon mit Pioneer zu Wohltätigkeitszwecken fusionieren würde, oder dass Chevron das mit Hess tun würde. Es ist vielmehr ein Beweis dafür, dass es noch für lange Zeit fossile Energieträger geben wird.“
Chevron-Chef: Ölnachfrage wird auch nach 2030 weiter zulegen
Der Financial Times (FT) zufolge haben die beiden angekündigten Megafusionen ein Wettrüsten um die langfristige Sicherung der Öl- und Gasversorgung ausgelöst. Und das zu einer Zeit, in der manche, wie z.B. die IEA in absehbarer Ferne einen Höhepunkt der Ölnachfrage vorhersagen. „Wir leben in der realen Welt und müssen Kapital aufwenden, um die reale Nachfrage zu befriedigen“, betonte Chevron-Chef Mike Wirth kürzlich in einem Interview mit der FT. Er fügte hinzu, dass die Nachfrage nach Öl auch nach 2030 weiter steigen wird.
Im Gegensatz zum World Energy Outlook geht die OPEC in ihrer jüngsten Prognose übrigens davon aus, dass die Ölnachfrage bis mindestens 2045 weiter steigen wird. Insofern sind die von Exxon und Chevron geplanten Übernahmen strategische Entscheidungen von Marktführern, die sehr wohl wissen, dass Öl noch jahrzehntelang für die Welt von entscheidender Bedeutung sein wird.
Während sich die Lage an den Ölmärkten angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen den USA und dem Iran wieder verschärft, legen auch die Notierungen für Gasöl, dem Vorprodukt für Diesel und Heizöl, heute Morgen wieder leicht zu. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet im Schnitt etwa +0,25 bis +0,55 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch am Donnerstag.
Source: Futures-Services